Beschreibung
GANS OHNE TANNENBAUM
Unterschiedlicher könnte die musikalische Herkunft des Musikerpaares nicht sein: Sie, Sängerin, hat nach Kirchenmusik und Ausflügen ins Chanson eine der bekanntesten ostdeutschen Folkbands – WACHOLDER – mitbegründet und diese 23 Jahre, bis zur Auflösung im Januar 2001, wesentlich geprägt. Er, Gitarrist, Studiomusiker, Tonmeister, Film- und Theaterkomponist, war 1981 Gründungsmitglied und Kopf der Ostberliner Rockband PANKOW, die bis 1999 regelmäßig tourte und seither alle paar Jahre sporadisch zu zeitlich begrenzten Tourneen zusammenkommt. 1998 war EHLE Produzent der letzten WACHOLDER- und der ersten SCARLETT O‘- CD und seit 2000 stehen sie mit mehreren verschiedenen Konzertabenden zusammen auf der Bühne. In ihre Programme fließen die musikalischen und inhaltlichen Erfahrungen und Vorlieben der beiden Musiker genauso ein wie eigene Texte und Kompositionen. Es geht vom Folksong über Pop und Rock bis zur Arie, vom Schlaflied bis zur Filmmusik, die Themen von Liebeserklärungen bis zur Politik. Nach zwei weiteren CDs, die zweite gekrönt mit einem Preis der Deutschen Schallplattenkritik, betreten sie nun mit ihrem jüngsten Werk „GANS OHNE TANNENBAUM“ zum gleichnamigen Weihnachtsprogramm gleich zweimal Neuland. Zum einen besteht das Doppelalbum aus einer CD mit Liedern und einer Hörbuch-CD, zum anderen erscheint es im neugegründeten eigenen Label electrocadero. Auch in den Liedern dieser neuen CD klingen deutlich die musikalischen Wurzeln beider Musiker durch. So findet Ehles rockige E-Gitarre genauso selbstverständlich ihren Platz wie Scarletts teilweise sehr folkiger Gesang, ohne zur Masche zu werden. Sämtliche Instrumente – bis auf ein Piano, das der Musikerkollege Matthias Banner beigesteuert hat – haben sie selbst eingespielt. Bei 4 der 16 Lieder verstärkt Scarletts Tochter Rebekka, die auch live ab und an als Gast dabei ist, die Gesangssätze. Die Titel selbst: bekannte und eigens geschriebene, sowohl traditionelle, kirchliche als auch nichtreligiöse, deutsche und internationale. Einige Texte schrieben gute Freunde und langjährige Wegbegleiter – Ken Hunt, Gerd Heger, Frank Viehweg – und Scarlett O‘ selbst, die sich, was die Nachdichtungen angeht, meist eher weniger ans Original hält. Die Kompositionen der neuen Lieder sind gemeinsam entstanden oder stammen von Jürgen Ehle, der auch alles arrangiert und produziert, sowie das Booklet (Fotos: J. Ian Turner, Santosh Sidhu) gestaltet hat. Mit dabei das russische ‚Jolotschka‘, das französische ‚Petit Papa Noël‘, das italienische ‚Tu scendi dalle stelle‘ im Original oder nachgedichtet oder beides. Die Reise geht nach Schweden, England, Amerika, Kuba …… überall ist manchmal Weihnachten.
Ähnlich gemischt sind auch die auf dem Hörbuch gelesenen Geschichten: Da findet sich Neues vom „alten“ Freund Steffen Mensching, der für Programm und CD die Titel-Gans beigesteuert hat. Da sind im Internet aufgestöberte Texte unbekannter Autoren zu hören. Da gibt es Weihnachtsgeschichten von Brecht, Böll, Babbitt und Eco, die doch sehr von der üblichen Süße abweichen, stellenweise ziemlich hart und direkt sind. Man sollte nicht erwarten, daß sich einem alle Texte der Lieder und Geschichten sofort eins zu eins erschließen. SCARLETT O‘ liebt Doppelbödigkeit. Sie mag es, auch alte Texte zu „drehen“, zu hinterfragen, neu zu interpretieren, ohne sie zu verbiegen oder gar zu Comedy verkommen zu lassen. Wichtig sind ihr Inhalte, und daß der Hörer gefordert und manchmal auch provoziert wird, – auf alle Fälle dazu, sich die CD mehrmals anzuhören. Was man aber unbedingt erwarten darf, ist eine Ehrlichkeit der Stimme und der Musik. Beide Musiker hassen Maschen und Verstellungen und sind in jeder Beziehung ungekünstelt. Sind die einzelnen Songs vom Stil her auch sehr unterschiedlich, ergibt sich doch durch diese Herangehensweise ein Produkt wie aus einem Guß. Es ist eine sehr weltliche Weihnachts-CD und trotzdem oder gerade deshalb sehr nah am christlichen Ursprung. Egal, ob überhaupt und wenn, welcher Religion, man angehört. Letztlich sind es die Werte, die wichtig sind, die menschlichen, die „Lebens-Werte“ – und das kann man deutlich hören.