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Pünktlich zur Geburtstags-Tour ist bei SONY/BMG die Wiederauflage der ersten beiden WACHOLDER-Alben erschienen, mit zwei ganz frühen Rundfunkaufnahmen als Bonustrack.


Warme Worte von einem Freund fürs Booklet der Neuauflage der beiden ersten AMIGA- WACHOLDER-Produktionen von 1983 + 1989
Veröffentlichung September 2007 bei Sony/BMG

die neue CD

Es ist an der Zeit zwei Album-Klassiker der deutschen Folkszene neu zu entdecken! Anfang 1978 gründeten sechs Studenten der Ingenieurhochschule Cottbus (Fachrichtung Bauwesen) eine Folkgruppe. Schon im Herbst desselben Jahres hatte man sich zum Quartett geschrumpft, ein akzeptables Repertoire deutscher Volkslieder erarbeitet und erhielt auf dem Folklore-Tag der 11. Werkstattwoche in Leipzig den begehrten Publikumspreis. Mit Riesenschritten wurde Wacholder originärer Bestandteil der DDR-Folkszene, erspielte sich einen festen Platz beim Publikum und nahm erfolgreich an diversen nationalen und internationalen Festivals teil. Dabei wurde spätestens 1980 klar, es ist ein Vollzeitjob! Erneute Umbesetzungen in den nächsten zwei Jahren, währenddessen aber auch der erfolgreiche Abschluss am Konservatorium Cottbus - und damit offiziell Berufsmusiker. Nunmehr bildeten Scarlett Seeboldt, Matthias Kießling (Kies) und Jörg Kokott (Ko) den festen Kern der Gruppe. Ab 1982 komplettierten Almut Walther und Matthias Wegner (Geier) die Band. Ursprünglich wurde die DDR-Folkszene in ihren frühen Jahren (1976-80) vom internationalen Kontext angeregt und zehrte von der Wiederentdeckung deutscher Folkstandards. Als geeigneter Katalysator diente die Ausbürgerung von Wolf Biermann (November 1976), welche eben diesen "alten Liedern" ihren zweiten Boden gab, ihre Doppeldeutigkeit aufzeigte und das Repertoire ganz modern erschienen ließ. Der Liedermacher als zündelnder Geist verschwand so kurzzeitig inmitten von "bekanntem" und allseits "tradiertem" Liedgut, entdeckte kritische Stände-, Soldaten- oder Gesellenlieder, aber auch die flammenden Revolutionslieder der 1848er neu. Dazu kam, dass viele der frühen DDR-Folkbands (so u.a. auch Folkländer, Liedehrlich, JAMS, Brummtopf) über eine unbändige Spiellaune verfügten und regelrecht zum Folkstanzen animierten. In diesen Momenten verströmte die Folkszene eine hinreißende "Gegenkultur" und ansteckende "Alternative" zur verordneten staatlichen Alltagskultur. Wacholder erarbeitete sich in jenen Jahren ein gediegenes, handverlesenes Repertoire deutscher Volkslieder - Lieder, die im damals neuen "Kontext der Ursprünglichkeit", also weg von der "gekünstelten Volkskunst" eine umwerfende Frische und wiedererstarkte Strahlkraft entwickelten. AMIGA entdeckte diese Perlen erst, als die Gruppe schon zu neuen eigenständigen Projekten aufbrach. Dabei ist das Wacholder-Debütalbum eine überaus gelungene Zusammenstellung von Folkstandards und Eigenkompositionen, nach traditionellen Dichterworten von Fallersleben, Claudius, Heine oder Wolkenstein. Das Album birgt mit Liedern wie "Herr Wirt, so lösche uns're Brände", "Badisches Wiegenlied" sowie "Es ist Schnee gefallen" erste Dauerbrenner, die dann langlebig zum Konzertrepertoire gehörten. Als die Platte endlich 1983 erschien, hatte Wacholder schon als Teil der legendären "Hammer-Rehwü" (1982/83) ein erstes genreübergreifendes wundersames Bühnenspektakel erlebt und mitgestaltet. Das Besondere am künstlerischen Werdegang und der Repertoireentwicklung von Wacholder war und ist: das Aufeinandertreffen einer Vielzahl unterschiedlicher Ideen und Ansichten und von Charakteren, die sich produktiv aneinander reiben können und dabei immer mehr sehen, als nur den eigenen Hof.
Angeregt durch die Zusammenarbeit mit den Dichtern Hans-Eckardt Wenzel und Steffen Mensching von Karls Enkel, erarbeitete sich Wacholder 1983 einen ersten Liederabend "Ting-Tang-Tellerlein" nach Texten von Heinrich Heine. Hier wurde sofort und weithin sichtbar, dass Wacholder im Kern sehr wohl eine Folkband ist, aber die einzelnen Mitglieder sich nunmehr auch als kongeniale Komponisten und stilsichere Vortragskünstler profiliert hatten. Ein weiterer, thematisch durchgestalteter, szenisch und musikalisch überzeugender Liederabend "Trotz alledem - Lieder zu 1848" folgte ein Jahr später. Mit dem 1985er Programm "Hüt dich Wacholdrio" beschrieb die Gruppe erfolgreich einen spannungsgeladenen Bogen zwischen tradiertem Liedgut, Eigenem und Neuen. Als Resultat dieser Häutung stiegen Ko und Almut 1986 aus, die verbleibenden Drei (Scarlett, Kies und Geier) arbeiteten als Wacholder weiter. In den nächsten Jahren gelangten englisch/irisch/schottische Einflüsse in großem Maß in das Programm. Dabei wurden in der Regel deutsche Fassungen bekannter Standards wie "McPherson" oder moderner Klassiker wie "Es ist an der Zeit" (Eric Bogle) und "Die Stadt, die ich so geliebt" (Phil Coulter) als publikumswirksame Höhepunkte in das Repertoire aufgenommen. Mit dieser Mischung produzierte AMIGA 1989 das Wacholder-Album "Es ist an der Zeit". Es postulierte den anno ´89 ins Haus stehenden, notwendigen Aufbruch in neue Zeiten, aber die Platte geht parallel zum Ende der DDR und in den Wirren der Wende unter.
In den 1990er Jahren präsentierte Wacholder erfolgreich in Vielfalt und Vielzahl neue Programme und Alben. Seit 1993 als "Ur"-Trio mit Scarlett, Kies und Ko wiedervereint, gastierte man in aller Welt, widmete sich aber zunehmend auch eigenen Soloprojekten und ging künstlerisch sowie kommerziell erfolgreiche Kollaborationen mit anderen Musikern ein. Letztlich verabschiedete sich Wacholder Anfang 2001 nach exakt 23 Jahren unter dem programmatischen Titel "Willkommen zum Abschied" von seinem Publikum.
Wenn jetzt, im Herbst 2007, das deutsche Traditions-Label AMIGA die beiden ersten Alben von Wacholder erstmals auf einer CD veröffentlicht, erstrahlt ein lang vermisster, kleiner, aber überaus schmucker Schatz gesamtdeutscher Folklore in digitalem Glanz. Wacholder selbst wird Anfang 2008 noch ein allerletztes mal aufbrechen, um in einer groß angelegten Tour zum Dreißigsten das Publikum an die alten Zeiten zu erinnern. Insofern: "Herr Wirt, so lösche uns're Brände!"

Frank Wonneberg, im August 2007


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